Kaum eine andere Branche hat sich so schnell und grundlegend verändert, wie der Medien- und Verlagsbereich – das weiß niemand besser als Carsten Knop, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und Vollblutjournalist, der schon vor dem Abitur für die Lokalredaktion der Westfälischen Zeitung arbeitete. Wenn in den 1990er Jahren die Samstags-Ausgabe der FAZ erschien, dann war der Teil mit den Stellenanzeigen oft genauso dick wie die eigentliche Zeitung. Die technischen Umbrüche, die dann in den nächsten 30 Jahren stattfanden, haben enorme Veränderungen in der Verlagsbranche bewirkt und das Thema Change-Management steht ganz oben auf der Agenda aller Verlagshäuser.

Viele Verlagshäuser stehen vor der Frage, wie digital Geld zu verdienen ist und wie man gleichzeitig die Mitarbeiter in den Redaktionen mitnehmen und weiterentwickeln kann. Welche Erfahrungen haben Sie dazu?

Der Anzeigenmarkt hat sich komplett verändert und hat sich vollständig ins Internet verlagert. Dass das gravierende wirtschaftliche Auswirkungen hat, ist leicht nachvollziehbar und hat dazu geführt, dass die Verlagshäuser das Geschäftsmodell ausschließlich auf „Digital“ umgestellt haben. Das betrifft sowohl den Umgang mit den Anzeigenkunden als auch mit den Lesern.

Die Leser erwarten mehr denn je glaubwürdige Informationen im Netz. Das bedeutet gleichzeitig, dass es keine Zeit zum Ausruhen gibt, denn insbesondere die langjährigen Leser wollen eine qualitativ hochwertige Zeitung. Und für die neuen Leser gilt es, durch umfassende Kennzahlen-Analysen (Stichwort „Data-Mining“), digitale Abo-Konzepte zu erstellen, die zielgruppengerecht und attraktiv sind. Das erfordert eine top moderne Vertriebsstrategie und damit entsteht eine riesige Kommunikationsaufgabe. Auch Abo-Kunden werden nicht mehr wie früher „verwaltet“, sondern erfahren eine aktive und agile Betreuung. Die klare Trennung zwischen Verlag und Redaktion, dem Anzeigengeschäft und den redaktionellen Beiträgen ist eine Grundvoraussetzung und ein Qualitätsanspruch für eine „gute“ Zeitung.

Welche Kompetenzen braucht ein guter Redaktionsleiter/Ressortleiter heute?

Eine wichtige Kompetenz ist die Bereitschaft, sich mit den Bedürfnissen der Kollegen und der Leser auseinanderzusetzen. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die neben den handwerklichen Fähigkeiten, einen hohen Zeitaufwand erfordert. In Zeiten wie diesen, die geprägt sind von Transformation, braucht es sowohl intern als auch extern extrem viel Moderationsarbeit – eine neue Art der Arbeitsanforderung. Hier ist es, wie in anderen Bereichen auch, dass sich das Berufsbild und die Erwartungen der Kunden radikal verändert haben.

Wie kann die Branche das Thema Arbeitszeitmodelle gestalten, um für (Nachwuchs-) Führungskräfte attraktiv zu bleiben?

Guter Journalismus und eine ausgewogene Work-Life-Balance sind immer schon schwierig zu vereinbaren gewesen. Aus der Sicht der Jüngeren hat sich da durchaus etwas zum Besseren verändert, da Sonntagsdienste und Überstunden ausgeglichen werden, es mehr und bessere Weiterbildungsangebote gibt und mobiles Arbeiten neue Freiräume schafft. Für die Führungskräfte birgt das gleichzeitig neue Herausforderungen, um einerseits weiterhin ein gutes Produkt abzuliefern und andererseits Rücksicht auf die Mitarbeiter-Belange zu nehmen.
Eine mögliche Lösung könnten Doppelbesetzungen in den Führungspositionen sein, die neben den Vorteilen andererseits wieder einen höheren Abstimmungsbedarf erfordern. Diese und ähnliche Fragen werden durch den demografischen Wandel noch stärker in den Fokus rücken.
Auch wenn es momentan nicht absehbar ist, in welche Richtungen Veränderungen zukünftig notwendig sein werden, kann man für die Zeitung und die Medienhäuser optimistisch in die Zukunft schauen, denn die Gesellschaft heute will eher mehr wissen als weniger.

Sie haben sowohl in Deutschland als auch in USA, unter anderem im Silicon Valley gearbeitet: Welche Unterschiede haben Sie erlebt und was können wir davon lernen?

In den 2000er Jahren war der Trend im Silicon Valley geprägt von dem Bestreben, möglichst viel Zeit im Unternehmen zu verbringen. Das hat sich natürlich jetzt total geändert und in vielen Firmen ist dort das Remote-Arbeiten noch bis ins nächste Jahr verlängert. Auffallend ist die extremere Polarisierung dieses Themas in den USA. Positiv „herübergeschwappt“ ist, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern zunehmend umfangreichere Angebote wie bessere Kinderbetreuung, mehr Weiterbildung und höhere Kantinenqualität machen. Dies wird sicher auch in Deutschland zunehmen.

Welche Stärken benötigen Führungskräfte, die sich neu orientieren wollen, wenn sie in der Verlags- und Medienbranche eine neue Position übernehmen?

Extrem wichtig ist es, gut zuzuhören und zu reflektieren. Außerdem sind ehrliches Interesse an den Kollegen und ehrliche Feedbacks unbedingt erforderlich. Darüber hinaus braucht es Mut zu Entscheidungen. Und das schon gleich zu Beginn in der neuen Position. Bei einem internen Wechsel ist es sinnvoll, sich schon vor dem Antritt mit dem bisherigen Stelleninhaber auszutauschen. Bei einem externen Wechsel gilt es, sich die Zeit fürs Zuhören zu nehmen und gleichzeitig nicht zu lange warten, bis Entscheidungen getroffen werden. Es ist ein Märchen, dass man 100 Tage Zeit hat, in einer neuen Position anzukommen. Man steht bereits ab Tag 1 unter Beobachtung und gerade am Anfang ist die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter am größten. Deshalb ist es wichtig, schnell ein Gespür zu bekommen, welche Dinge liegengeblieben sind und wo es gilt, nicht zu warten, sondern sie gleich anzupacken.

Noch mehr Details über die Chancen und Herausforderungen, denen sich die Verlags- und Medienbranche durch die digitale Transformation stellen muss, erfährst Du im Interview mit Carsten Knop, das du hier als Video anschauen und als Podcast anhören kannst.

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