Im direkten Gespräch klar, authentisch und sicher aufzutreten ist eine Sache – auf dem Bildschirm eine überzeugende Präsenz aufzubauen, eine andere. Im Podcast „bewerbungsstark“ durfte ich nun einen Gast begrüßen, der sich mit diesem Thema bestens auskennt: Sebastian Weber, Schauspieler und zertifizierter Auftrittscoach. Er erklärt, was die On- und Offline-Situation unterscheidet, wie man den Raum für das Gespräch definiert und warum die eigenen Werte so wichtig sind.

Was unterscheidet Bewerbungsgespräche vor Ort von Online-Interviews?

Im Grunde weniger, als man denkt. Allerdings sind es die meisten Menschen nicht gewohnt, sich vor einer Kamera sich zu präsentieren – und das merkt man dann auch. Im Gespräch in einem Unternehmen ist zudem der Raum – meist ein Büro oder Konferenzraum – klar definiert. Das ist zuhause anders, und es macht einen großen Unterschied, ob ich mich in die chaotische Küche oder in einen ruhigeren Raum setze. Das bedeutet: Zuhause muss ich auch den Raum definieren. Eine Architektin sagte mir dazu einmal etwas sehr Kluges: Wir Menschen hätten im Grunde drei Schichten von Haut, nämlich einmal die echte Haut, die den Körper begrenzt, dann unsere Kleidung und als drittes den Raum, in dem wir uns bewegen – auch darin drücken wir uns aus. Die Aufgabe vor dem Online-Interview ist es also, den eigentlich privaten Raum für den Moment umzudefinieren. Im Kopf und auch äußerlich. Die Leitfrage dabei sollte lauten: Wie soll der Raum als Verlängerung von mir wirken? Das gleiche gilt auch für die Kleidung.

Im Prozess von der Bewerbung bis zum echten Kennenlernen ist das virtuelle Gespräch heute häufig eine Weichenstellung: Wer darin punktet, kommt weiter. Wie schafft man es – jenseits der eben genannten äußerlichen Aspekte – online zu überzeugen?

Man muss präsent sein. Präsenz heißt übersetzt Gegenwärtigkeit – im gegenwärtigen Moment sein. Was dem klassischerweise im Weg steht, ist die Angst. Denn Angst koppelt uns ab von der Welt, wirft uns auf uns selbst zurück. Die Leute, die wir als präsent wahrnehmen, sind aber diejenigen, die den Blick für uns offen haben, die in Kontakt mit uns treten. Was der Präsenz auch schadet: Wenn man zu sehr versucht, seriös zu wirken. Natürlich spielt die sachliche und fachliche Ebene in einem Vorstellungsgespräch eine große Rolle – aber sie ist eben auch nicht alles. Schließlich trifft man sich hier mit Menschen, mit denen man perspektivisch eine ganze Weile zusammenarbeiten möchte – da ist der menschliche Faktor mindestens genauso wichtig.

Wie kann man Nervosität und Lampenfieber vor einem Bewerbungsgespräch in den Griff bekommen?

Auftrittsstress kann immer dann entstehen, wenn einem jemand seine Aufmerksamkeit schenkt, dem man eine Wichtigkeit zuspricht. Das kann bei einem Flirt an der Bar, bei einem Vortrag vor 500 Leuten oder eben in einem Bewerbungsgespräch passieren. Dabei spielen zwei mentale Fallen eine Rolle: gut sein zu wollen und geliebt werden zu wollen. Wer mit diesem Anspruch ins Gespräch geht, setzt sich massiv unter Stress, und riskiert gerade dadurch, dass es schlecht läuft. Was also tun? In die Situation gehen und dem Gegenüber innerlich die Erlaubnis geben, einen, klar gesagt, scheiße zu finden! Denn letztlich liegt es nicht in unserer Macht, ob jemand anders einen gut findet oder gar liebt – das ist beim Bewerbungsgespräch nicht anders als beim Flirten. Die einzige Chance, die ich habe, ist meine Persönlichkeit zu zeigen. Und das geht ohne inneren Druck am besten.

Seine Persönlichkeit zeigen – wie klappt das am besten?

Erstens: sich mit seinen Werten verbinden. Die Sozialpsychologin Amy Cuddy hat in einer Studie nachgewiesen, dass sich Menschen, die sich mit ihren Werten verbinden, als präsenter wahrgenommen werden. Wenn man sich also vor dem Gespräch noch einmal ganz bewusst seine zwei wichtigsten Werte ins Gedächtnis ruft und sich darauf konzentriert, stärkt das zum einen das Ich-Gefühl und sorgt zum anderen für einen authentischeren Auftritt. Gleichzeitig befinde ich mich so auch eher auf Augenhöhe mit meinen Gesprächspartnern, als wenn ich nur gefallen möchte. Da finde ich wichtig – denn schließlich soll in dem Gespräch ja von beiden Seiten abgeklopft werden, ob sie zusammenpassen. Nicht nur das Unternehmen sucht jemanden, der es bereichern kann, sondern auch ich suche eine Tätigkeit, die mein Leben bereichert.
Zweitens: Präsenz läuft immer über den Körper. Man kann sich vor dem Gespräch ruhig mal zwei Minuten hinstellen, tief atmen und den Körper richtig groß machen – Amy Cuddy nennt das „Power Posing“.
Das ganze Interview mit Sebastian Weber könnt Ihr hier nachhören oder anschauen.

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