Gerade erfahrene Führungskräfte kennen es: Nach einer längeren Karriere ist die Erfahrung groß und vielfältig. Bei der Bewerbung auf eine neue Stelle fällt es daher oft schwer, einen klaren Fokus zu setzen. Wie das gelingt und warum das Herausstellen der eigenen Expertise so wichtig ist, darüber habe ich mit meiner Kollegin Martina Fuchs gesprochen. Als Coach mit dem Schwerpunkt Expert Branding und Positionierung ist sie die Fachfrau, wenn es darum geht, die Dinge auf den Punkt zu bringen.

Was bedeutet Positionierung für Dich?

Dass ich mir selber klar werde, wofür ich stehe und auch künftig stehen möchte. Gerade wenn ich mich auf die Suche nach einer neuen Führungsrolle mache, dann ist Positionierung als allererstes eine innere Standortbestimmung: Wo stehe ich, wo möchte ich hin. Das ist dann auch eine wichtige Botschaft an den künftigen Arbeitgeber.

Wie können sich Führungskräfte positionieren?

Das geht auf unterschiedliche Art und Weise. Zunächst solltest Du Dein eigenes Expertenprofil richtig schärfen. Dazu gehört zum einen die bisher erworbene Expertise, zum anderen aber auch Deine Persönlichkeit und Deine Motivation. Das soll aber nun nicht dazu verlocken, bei der Bewerbung ein seitenlanges Pamphlet vorzulegen mit alldem, was Du jemals gemacht hast – Ziel ist es vielmehr, Dein eigenes Kernthema zu bestimmen. Bei mir ist das zum Beispiel das Thema Expert Branding und Positionierung – das ist mein Thema, dafür bin ich bekannt und dafür stehe ich.

Wie funktioniert das genau?

Indem man eine Innenschau hält. Positionierung wirkt von innen nach außen – ich fange im Innen an und werde mir klar, wo der Weg für mich hingehen soll, und welche Skills und Expertise ich dafür brauche. Wenn mein Fachgebiet zum Beispiel das Thema Marketing und Kommunikation ist und ich eine neue Herausforderung suche, ist das ja erst einmal ein weites Feld. Wenn ich aber eine Spezialisierung habe, zum Beispiel Digitalisierung, dann kann ich diese schärfen und mich entsprechend positionieren. Gerade wenn ich lange im Job war, weiß ich auf diesem Gebiet sehr viel – von der ersten Website bis hin zum Social-Media-Boom. Damit darf ich mein Gegenüber aber nicht „erschlagen“. Ich positioniere mich also klar mit einem Thema – in diesem Beispiel „Digitalisierung“– am Markt und verstehe mich darüber hinaus als „Dachmarke“. So kann ich in einem zweiten Schritt auch zeigen, wie viele Techniken und Tools, wie viel Wissen ich auch noch habe, und dass ich auf einer breiteren Klaviatur spielen kann.

Was würdest Du jemandem raten, der weder job- noch branchenmäßig einen klar erkennbaren roten Faden im Lebenslauf hat, der zum Beispiel eine Bankausbildung und einen MBA hat, als Consultant gearbeitet hat, aber auch als CFO?

Das wäre ein spezialisierter Generalist. Mit ihm würde ich eine Dachmarke mit verschiedenen Säulen generieren. Diese Säulen wären entsprechend Finance, Consulting und Coaching. Das könnte man schön grafisch darstellen – auch in den Bewerbungsunterlagen, vielleicht auch in einer Kombination mit einem Vorstellungsvideo auf einer eigens eingerichteten Landingpage im Netz.

Wer seinen Job verliert, verfällt ja oft zunächst in Aktionismus, möchte so schnell wie möglich eine neue Position finden und meint, keine Zeit für eine aufwändige Positionierung zu haben …

Ja, das stimmt. Aber: In jeder Krise liegt auch eine Chance. Und wenn ich mich mit meiner Angst auseinandersetze und schaue, was für eine Chance da parat liegt, bin ich auf einem guten Weg. Wenn ich zu Beispiel als Führungskraft mit Anfang 50 meinen sicher geglaubten Job verliere, könnte es ja sein, dass ich insgeheim schon immer mal etwas Anderes machen wollte oder dass in meiner Brust ein Unternehmerherz schlägt. Der Jobverlust könnte dann auch ein Sprungbrett sein. Und an diesem Punkt lohnt es sich, einmal in Klausur zu gehen und…

… eine Standortbestimmung vorzunehmen.

Genau – vielleicht ja auch mit Deiner Hilfe!

Einmal positioniert, immer positioniert – ist das eigentlich richtig?

Das war früher einmal so, heute ist es anders. Zu den allerwichtigsten Fähigkeiten, die wir heute brauchen, gehören Flexibilität und die Bereitschaft, uns immer wieder neu zu erfinden. Die Menschen, die sich schnell an neue Situationen und Marktbedürfnisse anzupassen, sich weiterentwickeln, sich neu erfinden, sind in der Regel am erfolgreichsten.

Wenn wir uns immer wieder neu positionieren müssen – bleiben wir dann glaubwürdig?

Eine Neupositionierung bedeutet nicht, alles über Bord zu schmeißen, wofür ich je gestanden habe. Die wirklich wichtigen Dinge nehmen wir natürlich mit, den eigentlichen Schatz. Vielleicht müssen wir diesen nur an die neue Situation anpassen, also quasi den Schatz in eine neue Kiste packen.
Manchmal gibt es natürlich auch radikale Brüche, manchmal ist es notwendig, die Seile zu einem alten Kapitel zu kappen. Aber selbst dann, werde ich trotzdem etwas mitnehmen – ein ehemaliger IT-Consultant, der nun ein Restaurant eröffnet, wird vielleicht ein hochmodernes digitales Warenwirtschaftssystem installieren.

Welche Stolpersteine sollten Führungskräfte im Bewerbungsprozess vermeiden?

  1. das Bauchladen-Prinzip – „ich kann alles und mache alles“ führt in der Regel nicht zum Erfolg.
  2. Positionierung hat auch Konsequenzen: Man sollte nicht das eigene Licht unter den Scheffel kehren, sondern seine Expertise klar herausstellen und den Wert seiner Leistung kennen.
  3. Nichts versprechen, was man später nicht halten kann.

Und noch ein Tipp: Frage Dich, was die Menschen in diesem Unternehmen über Dich sagen sollten, wenn Du nicht im Raum bist. Im Bewerbungsgespräch bedeutet das: Was sollte Dein Interviewer nach dem Gespräch über Dich sagen? Wenn Du die Antwort dazu gefunden hast, stelle Dir die zweite Frage: Was musst Du dafür tun, diese Reaktion zu erzielen?

Martina Fuchs’ Buchtipps:
Digital Expert Branding von Martina Fuchs
The One Thing von Gary Keller

Martina Fuchs’ Podcast „Status AUSGEBUCHT!“ findet Ihr hier.

Das komplette Interview gibt es hier zum Nachhören oder Anschauen:

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